Rainer Wochele

Leseprobe aus «An der Raststätte»

Sie fahren. Sie kommen. Sie essen. Sie trinken. Und einmal Pommes mit Ketchup. Ruhen aus, reden, telefonieren. Und die Frischepfanne. Und norwegisches Lachsfilet mit Petersilienkartoffeln. Auf jeden sechsten Autobahnkilometer kam ein toter Arbeiter. Die allererste der Welt war die Stadtapotheke in Wiesloch, wo Bertha Benz am 5. August 1888 auf dieser ersten Fernfahrt der Automobilgeschichte der Treibstoff ausgegangen war, damals eine Ligroin genannte Flüssigkeit, die vor allem als Waschbenzin Verwendung fand. Und Kartoffelsalat Münchner Art. Auf jeden sechsten Autobahnkilometer kam ein toter Arbeiter. Zucchini Mais-Salat. Bis dato zweispurige Richtungsfahrbahnen ohne Leitplanken. Deutschlands erste war „Rodaborn“, 1936 in Betrieb genommen. Und Currywurst mit Pommes. Heute fünfzehntausend in Deutschland. Frischepfanne und Penne al Pomodoro. Die Männer ins wasserlose Urinal Marke Urimat. Sie kommen, sie fahren. Und einmal Pommes mit Ketschup. Kommen.

Schlesinger
Um vierzehn Uhr zweiunddreißig fuhr der Elektroinstallationsmeister Michael Schlesinger mit seinem schwarzen VW-Passat auf den Parkplatz, stellte den Wagen ab, stieg aus und ging darauf zu. Schlesinger kam aus Ulm, wo er ein Ladenlokal angemietet hatte, um darin neben seinem Zentralgeschäft in Stuttgart-Münster eine Filiale für Elektrogeräte aus dem Haus- und Küchenbereich einzurichten. In Ulm hatte er sich mit ihm getroffen, der von seinem Studienort München per tramp nach Hause unterwegs war. An der Theke bestellte Schlesinger bei einer der Frauen das Mittagsmenü und setzte sich mit seinem Tablett an einen Tisch, so dass er freien Blick auf den Parkplatz hatte.
Was glaubt der eigentlich? Was bildet der sich eigentlich ein? Nur weil ich ihn studieren lasse, meint der, er kann mich als einfachen Handwerksmeister so behandeln, der mit seinem Akademikergeschwätz. Na ja, jetzt kann er sehen, wie er von der Autobahn weg und heimkommt. Zu Fuß. So, ich werde jetzt anhalten und du steigst aus. Hier? Ja, hier. Mitten auf der Autobahn? Ja, mitten auf der Autobahn. Vadder, Vadder, mach dich nicht lächerlich, Vadder. Schlesinger aß von dem panierten Schnitzel und schaute hinaus. Ein schweres metallic-weißes Daimler Cabriolet fuhr forsch auf den Parkplatz und hielt in einer Lücke an. Man sah, die Person am Lenkrad nahm die Ledermütze ab. Ein Wust langer blonder Haare quoll hervor. Sie schob die Brille hoch. Es war eine Brille, wie sie früher Motorradfahrer getragen hatten. Schlesinger sah ihn in dem schweren offenen Wagen neben ihr sitzen. Und gestikulieren. Herrgottzack, dachte Schlesinger, Herrgottzack. Ein warmes Gefühl stieg in ihm hoch. Die Frau war älter als er. Aber nicht viel. Schlesinger schob Kartoffelsalat auf die Gabel. Was machst du, wenn die jetzt hereinkommen und er dich hier sitzen sieht? Was machst du dann, Herrgottzack?

Dumme Umstände
Sehen Sie, das war eine Verkettung von saudummen Umständen, und jetzt bin ich meinen Führerschein los. Bis auf weiteres. Vielleicht für die nächsten paar Monate. Was für mich eine Katastrophe ist.
Da gehst du nach deiner beruflichen Verabredung bei Schneiderhahn und Papst wegen der Lieferschwierigkeiten deines Fahrradgroßhandels, gehst du in Ulm also über den Wochenmarkt, der rund um das Münster aufgebaut ist. Du isst eine Bratwurst, trinkst ein erstes Glas Punsch, der da angeboten wird. Und weil dir der Punsch schmeckt, stark wie er ist, trinkst du noch ein zweites und ein drittes Glas. Dann fährst du über die Autobahn heim Richtung Esslingen. Vielleicht fährst du ein bisschen zu flott.
Sehen Sie, ich bin kein Alkoholiker. Ich bin alles andere als das. Ab und zu ein Glas Wein zum Essen, ein Glas als Absacker am Abend. Mehr nicht.
Jedenfalls dann: Polizei überholt mich, winkt mich an der Raststätte Albmühlen raus und auf den Parkplatz. Lässt mich blasen. Zwei nette junge Polizeibeamte. Keine Scharfmacher. Keinesfalls übel wollend. Das Ergebnis ist wohl signifikant. „So können Sie nicht weiterfahren.“
Ich muss das Auto stehen lassen. Sie fahren mich nach Esslingen und dort zu einer polizeilichen Blutentnahmestelle. Auch dieses Ergebnis ist eindeutig. Meinen Führerschein behalten sie ein, erklären, ich würde von der Staatsanwaltschaft hören. Um eine Strafzahlung käme ich wohl nicht herum. Und all dies in freundlichem und verbindlichem Ton. Mein Auto könnte mir ja ein Freund holen.
Muss sehen, wie ich jetzt ohne Führerschein klar komme. Wird nicht einfach sein. Muss ja allerlei Kundenbesuche machen, um meinen Fahrradgroßhandel am Laufen zu halten. Also Taxi. Oder ich heuere mir einen Studenten mit Führerschein an, dem ich damit einen guten Job als mein Fahrer verschaffe. Dumm gelaufen, dumm gelaufen.

Niemand eingeschränkt
„In den letzten 120 Jahren sind die Menschen im Schnitt um 14 Zentimeter gewachsen. Die Menschen werden tatsächlich immer größer. Und damit auch die Herausforderungen an den G.S. Der große Innenraum bietet jede Menge Bewegungsfreiheit und ermöglicht durch die erhöhte Sitzposition ein bequemes Ein- und Aussteigen sowie eine bessere Rundumsicht. Bei so viel Freiraum fühlt sich garantiert niemand mehr eingeschränkt.“

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Rainer Wochele copyright 2004-2011 ff.